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AutorenbildSilke Bryant

Warum ich nach Dänemark gezogen bin

„Wenn Dich jemand fragt, wie es Dir geht, was sagst Du dann?

Jahrelang antwortete ich: “Ganz gut.” Und meinte es so. Aber irgendwann stolperte ich selber über meine immer gleiche Antwort. Warum konnte ich nicht sagen: "Gut” oder sogar „Richtig gut, danke“?


Ich wohnte mit meinen Kindern in einem neuen Reihenhaus am Lübecker Stadtrand, hatte nette Nachbarn und Freunde. Am Vormittag arbeitete ich im Schulsekretariat, mittags kochte ich schnell Essen. Danach fuhr ich die Kinder zu ihren Freizeitaktivitäten (Sport, Musikunterricht, Bücherei)- wie man das eben so macht als Mutter. Dann noch Laufen gehen, Freunde treffen, im schönen Bioladen vor der Tür einkaufen- es hätte eigentlich doch mehr als ein „ganz gut“ rausspringen müssen.


Es waren vor allem die Stunden bei der Arbeit, die mich immer mehr denken ließen: Wenn ich nichts ändere, wird alles immer so weitergehen und ich bin bis zur Rente hier- in einem Job und einem Leben, die „ganz gut“ waren.



Dieses Gefühl ließ mich nicht mehr los. Aber ich wusste nicht, was und wie ich etwas ändern sollte. Wie konnte ich mein Leben in eine Richtung verändern, so dass es sich “richtiger” anfühlte? Es war ja nur ein vages Gefühl. Ein neuer Job? Umziehen in die Stadtmitte, damit die zeitraubenden Autofahrten wegfielen? Wieder die Selbstständigkeit wagen?


Ich war früher schon selbständig gewesen, als ich zeitgleich mit dem Beginn meines Studiums eine Kunstschule in Hamburg eröffnet. Damals waren es auch stressige Zeiten, ich hatte ein Kleinkind zu versorgen, war jung, hatte kein Geld und wenig Erfahrung. Aber irgendwie fühlte es sich damals richtiger an, als mein Leben jetzt.


Der Zufall brachte mich in den Herbstferien 2019 einige Tage auf eine kleine dänische Insel. Mein Herz ging auf, als wir Radtouren durch die idyllische Landschaft machten. Alles war hübsch, gemütlich und unaufgeregt, und die entgegenkommenden Dänen grüßten uns freundlich. Ich war total verliebt in dieses Stückchen heile Welt.


Eine Woche später kauften wir ein Haus auf dieser Insel. Es war natürlich total irrsinnig. Einerseits. Andrerseits sind Entscheidungen des Herzens immer richtig, auch wenn der Verstand das Gegenteil behauptet ;)


Und ja, ich hatte auch Angst. Ich kündigte den Mietvertrag und den Job. Damit Rentenversicherung, Krankenversicherung, jährliche Bonuszahlungen und Weihnachtsgeld. Aber ich habe mich von der Angst nicht unterkriegen lassen.

"Was immer du tun kannst oder wovon du träumst- fang damit an. Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich. "
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Ich nahm die Angst wahr, akzeptierte sie und tat es trotzdem. Denn sie war unangebracht, der Schritt bracht mich ja in keine Gefahr. Was war denn das Schlimmste, was passieren konnte? Ich hätte doch jederzeit zurück kommen und mir einen neuen Job suchen können. Denn ja, Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich. Mut wird belohnt, und jeder, der schon mal einen Absprung in ein ungewisses Leben gewagt hat, kennt das: plötzlich fügt sich alles magisch und es ist, als wenn eine größere Macht Dir alle Unterstützung gibt.


Die Angst wurde also noch ein paar mal groß. Aber der Mut und die Zuversicht und das Wissen, dass immer alles gut wird, haben mich immer schnell wieder eingeholt.


Heute lebe ich auf einem der für mich schönsten Fleckchen der Welt. Von fast überall kann man das Meer sehen und morgens wecken mich die Möwen, die mit lautem Kreischen die Fischerboote umkreisen. Das wunderschöne kleine Städtchen, in dem ich lebe, kommt ganz ohne Leuchtreklame und große Bauten aus. Von der Fußgängerzone winden sich schmale Kopfsteinpflasterstraßen hinunter zum Hafen. Kleine bunte Fachwerkhäuser mit Stockrosen und Lavendel an den Mauern zieren die Gassen und die Menschen, die hier leben, haben immer Zeit für einen Plausch.


Abends, bei geöffnetem Fenster, höre ich manchmal das Wellenrauschen und ich erkenne: Glück geschieht auch ohne Bioladen vor der Tür. Ich arbeite wieder selbständig, was mich erfüllt, denn es ist eine Arbeit, die ich liebe und für die ich lebe. Und wenn mich heute jemand fragt: “Wie geht es Dir?”, dann sage ich: "Richtig gut, danke!“ und strahle ihn an.



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